Studium EKIW ®

Lichtblick Nr. 8 (November 2003)

Den Kurs lernen - Das Transzendieren des Ich

Kenneth Wapnick

Desöfteren habe ich betont, wie wichtig es ist, den Kurs, und insbesondere das Textbuch, gründlich zu studieren. Bleibt es jedoch bei einem intellektuellen Verständnis seiner Prinzipien, ist noch nicht viel gewonnen. Wir können uns den Kurs nur in dem Maße zu Eigen machen, wie wir unser Ich überwinden. Anhand einiger Auszüge aus der Übungsbuchlektion  188 möchte ich erläutern, was das bedeutet und was dieser Prozess beinhaltet.

Ich beginne in der Mitte des zweiten Absatzes:

Wer kann die Gegenwart dessen, was er in sich erblickt, verleugnen? Es ist nicht schwer, nach innen zu schauen, denn dort beginnt jede Schau. Es gibt keinen einzigen Anblick, sei er von Träumen oder von einer wahreren Quelle, der nicht nur ein Schatten dessen wäre, was durch die Innenschau gesehen wurde. Dort beginnt die Wahrnehmung, und dort endet sie. Sie hat keine andere Quelle außer dieser (Ü-I.188.2:4-8).

Kursschülern wird es nicht schwer fallen, hier den wichtigen Grundsatz aus dem Textbuch wiederzuerkennen: Wahrnehmung wird durch Projektion erzeugt (T-13.V.3:5; T-21.Einl.1:1). Alles ist also nur ein »Schatten dessen, was durch die Innenschau gesehen wurde«. Das bedeutet, dass die innere Wahrnehmung der Trennung unseren Geist gar nicht verlässt; sie besteht in Wirklichkeit nur im Innern. Das ist eine außerordentlich wichtige Aussage, denn sie besagt, dass es im Äußeren nichts gibt. Wenn wir in unseren Geist schauen und uns für das Ego – für Schuld, Angriff, Tod und Dunkelheit – entscheiden, ist es das, was wir anschließend in der Welt sehen werden. Schauen wir hingegen nach innen, wählen das Licht der Sühne und fühlen die Gegenwart der Liebe Jesu, dann sehen wir anschließend auch außen entweder überall um uns herum Licht und Liebe oder, wie es im Textbuch heißt, Rufe nach Liebe (T-12:I.8; T-14.X.7). Damit ist eindeutig nicht gemeint, eine rosarote Brille aufzusetzen. Es geht nämlich nicht darum, was unsere Augen im Äußeren erblicken, sondern um die Interpretation im Inneren, die unser Geist dem, was wir sehen, gibt. Es ist nicht schwer, nach innen zu schauen, weil wir bereits innen – im Geist – sind, und innen befindet sich sowohl die Angst des Ego als auch die Vergebung des Heiligen Geistes. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir meinen, wir seien außen. Mit anderen Worten: Ideen verlassen ihre Quelle nicht, und diese Quelle liegt immer in unserem Geist. Außerhalb von ihm ist in Wirklichkeit nichts.

Deswegen können Sie den Kurs nicht von außen – also mit dem Gehirn – erfassen. Er ist nicht außerhalb von Ihnen, sondern das Symbol Ihres rechtgesinnten Geistes im Inneren, was bedeutet, dass Sie zu Ihrem rechtgesinnten Geist werden müssen. Sie sollten mit dem Kurs so verfahren, wie Sie mit jedem großen Kunstwerk verfahren würden. Sie lassen die Worte in sich widerhallen als Erinnerung an Ihren rechtgesinnten Geist, den Sie vergessen haben. Auf diese Weise werden Sie an den Ort im Innern geführt, der sich jenseits aller Worte, Gedanken und Konzepte befindet. In dem Augenblick, da Sie versuchen, die Schönheit eines großen Kunstwerkes mit Ihrem Gehirn zu analysieren – ganz gleich, ob es sich um ein Gedicht, ein Gemälde, ein Musikstück oder eine Skulptur handelt –, nehmen Sie sich selbst die Chance, die Erfahrung der Wahrheit zu erleben, die der Künstler hatte und die den Inhalt bildet, aus dem das Kunstwerk oder die Form hervorgegangen ist. Das heißt nicht, dass es falsch ist, ein Kunstwerk zu analysieren, doch beraubt man sich dabei der Erfahrung, die der Künstler durch sein Werk zum Ausdruck bringen wollte.

Dasselbe gilt für Ein Kurs in Wundern. Wenn Sie versuchen, ihn zu analysieren und die wortwörtliche Bedeutung des Geschriebenen zu zerpflücken, werden Sie seinen Kern verfehlen. Sie sollten die Worte lesen und als Erinnerung an Ihren rechtgesinnten Geist auf sich wirken lassen. Auf diese Weise gehen Sie von dort, wo Sie zu sein meinen, nämlich außen im Körper, dorthin, wo Sie wirklich sind, nach innen in Ihren Geist. Deshalb sagt Jesus, dass »es nicht schwierig ist, nach innen zu schauen, weil dort alle Schau beginnt«. Dort sind Sie ja. Denken wir daran, dass die Wahrnehmung im Geist beginnt und auch endet.

Aufgrund unseres großen Widerstands gegen unsere Rechtgesinntheit ist es eine lebenslange Aufgabe, den Kurs zu lernen. Wir richten kontinuierlich Barrieren gegen ihn auf, was beinahe eine Garantie dafür ist, dass wir den Prozess hinauszögern. Eine dieser Barrieren besteht darin, uns auf ein intellektuelles Verständnis des Kurses zu beschränken, ohne uns wirklich von ihm verändern zu lassen. Ich habe einmal die Vorlesung eines Professors am Brooklyn College besucht, der einen Großteil des Semesters damit zubrachte, das wunderbare Finale des zweiten Akts von Mozarts Hochzeit des Figaro zu analysieren, das ein wirklich brillantes Musikstück ist. Doch das Einzige, was Sie tun müssen, ist, es einfach anzuhören. Die Genialität zu analysieren, die der Komposition zugrunde liegt, wird Ihnen nicht die Erfahrung bringen. Ebenso wenig müssen Sie die Gedankenwelt des Dichters analysieren, um Hamlet oder König Lear lesen und deren Kraft und Schönheit spüren zu können. Und wenn Sie vor einem großen Gemälde stehen, müssen Sie nicht wissen, wie die Farben benutzt oder die Personen angeordnet wurden, um sich von seiner Schönheit inspirieren zu lassen. Sie geben sich dem Kunstwerk einfach hin, und dann werden Sie mit ihm eins.

So sollten Sie sich auch dem Kurs nähern, und das heißt, dass Sie die Subjekt-Objekt-Dualität überwinden müssen. Denken Sie daran: Solange Sie glauben, dass es ein Ich gibt, das den Text studiert, wird der Kurs letztlich niemals für Sie funktionieren. Eine solche dualistische Erfahrung ist zweifellos der Anfang, weil wir alle auf diese Weise beginnen. Aber genau diese Erfahrung, dass Sie ein Schüler sind, der hier vom inneren Lehrer lernt und dies liest, wird sich am Ende als der größte Stolperstein erweisen, wenn Sie über dieses Stadium nicht hinauswachsen.

Sie können den Kurs nur wirklich verstehen, wenn er in Ihnen ist. Ich sage nicht, dass Sie ihn nicht lesen und studieren sollten. Das müssen Sie sogar tun, und Jesus hat Helen und Bill nachdrücklich gebeten, ihn zu studieren. Doch wenn Sie den Text mehr als nur intellektuell meistern wollen, muss er eins mit Ihnen werden, sodass nicht länger Sie die Worte lesen, sondern die Worte Sie gewissermaßen ausfüllen und durch Sie leben. Aus diesem Grunde sagt Jesus, dass es einfach sei. Wie ich bereits erwähnt habe: Es ist nicht schwierig, nach innen zu schauen, denn Sie sind schon dort! Sie müssen die dualistische Schranke durchbrechen, der zufolge Sie ein Schüler sind, der von einem Lehrer lernt, oder ein Leser, der ein Buch liest. Sie beginnen mit dieser Dualität, doch damit können Sie nicht enden, denn sonst werden Sie diesen Kurs niemals lernen.

Deshalb kann niemand sinnvoll über den Kurs schreiben, der nicht auch am Prozess teilhat, sein aufrichtiger und bereitwilliger Schüler zu sein. Ohne sich auf den im Kurs dargestellten Prozess der Vergebung einzulassen, würde ein solcher Mensch eine Darstellung von außen schreiben, wie es viele versucht haben, und dabei den Kern seiner Botschaft völlig verfehlen. Am Ende müssen Sie das Ich transzendieren, das Sie als Schüler dieses Kurses definiert. Sie beginnen mit dieser Art Beziehung, aber Sie werden auf der Leiter nicht weit nach oben gelangen, wenn Sie den Kurs ständig auf diese Weise betrachten.

Auch wenn der Kurs auf einem hohen intellektuellen Niveau geschrieben ist und große Aufmerksamkeit beim Lesen erfordert, wird der Intellekt interessanterweise benutzt, damit Sie über ihn hinausgelangen. Sie lesen den Kurs also und wissen zuweilen unmittelbar, was er sagen will, weil Sie tief im Inneren wissen, dass er wahr ist. Wenn Sie vor einem großen Kunstwerk stehen, wie auch immer Sie seine Größe definieren mögen, wissen Sie, dass es nicht von dieser Welt, sondern eine Widerspiegelung der Wahrheit ist. Es geht nicht um die Form; Formen sind niemals wahr. Aber Sie wissen, dass darin eine Wahrheit liegt, und diese Wahrheit übersteigt sowohl den Künstler als auch den Betrachter, die auf diese Weise miteinander verschmelzen, weil es kein Außen und Innen mehr gibt. Helens wunderbares Gedicht »Erwache in der Stille« beginnt mit den Worten: »Frieden möge dich bedecken, innen so wie außen …« Der äußere Friede und der innere Friede sind ein und dasselbe. Es gibt letztlich kein Äußeres. Dementsprechend gibt es auch keinen Kurs, der außerhalb von uns wäre.

Wenn wir den Kurs studieren, spiegelt sich darin ein Prozess in unserem Geist, bei dem wir durch die Dunkelheit unserer Falschgesinntheit zu dem Gedanken des Lichts voranschreiten, sodass wir aus der Perspektive des Lichts auf die Dunkelheit schauen können. Weil wir meinen, Körper zu sein, die von einem Gehirn regiert werden, haben wir den Kurs in der Form eines Buches bekommen. Das Lernen geschieht jedoch nicht, während Sie in dieses Buch hineinschauen oder es studieren, sondern es geschieht im Geist, der nichts mit dem Körper zu tun hat.

Genauso wie Schuld von dem Glauben herrührt, getrennt zu sein, und eine Schranke für das Lernen bildet, nimmt das Aufheben der Schuld die Schranke völlig weg. Und wenn Sie anfangen zu begreifen, dass Sie und ein anderer Mensch keine getrennten Interessen haben, beginnen Sie mit dem Prozess des Verschmelzens. Nicht Körper verschmelzen miteinander, sondern der Geist verschmilzt mit sich selbst. Wenn Sie diesen Prozess fortsetzen, verschmilzt der rechtgesinnte Geist – das Zuhause des Heiligen Geistes in unserem Geist nach der Trennung – mit allen, denn es gibt nur einen Geist. Sie werden einfach eins mit dessen Einssein.

An einer Stelle im Textbuch wird hervorragend der Prozess des Verschmelzens mit dem beschrieben, was wir als etwas wahrnehmen, das außerhalb von uns ist:

Jeder hat das erfahren, was er als ein Gefühl benennen würde, über sich hinausgehoben zu werden … ein plötzliches Nichtgewahrsein des Körpers und eine Verbindung von dir und etwas anderem …, bei der dein Geist sich erweitert, um es zu umfassen. Es wird zu einem Teil von dir, während du dich mit ihm vereinst. Und beide werden ganz, weil keines als getrennt wahrgenommen wird. Was wirklich geschieht, ist, dass du die Illusion eines begrenzten Bewusstseins aufgegeben und deine Angst vor der Vereinigung verloren hast ... Doch in diesem Fall verbindest du dich ohne Vorbehalt damit, weil du es liebst und bei ihm sein möchtest. So eilst du denn, ihm zu begegnen, lässt deine Grenzen hinwegschmelzen und setzt lle »Gesetze« außer Kraft, denen dein Körper gehorcht, indem du sie sanft beiseite legst (T-18.VI.11:1,4-7; 12:4-5).

Wir können den Kurs also nicht wirklich aus der Perspektive unseres Körpers (d. h. des Gehirns) verstehen, weil er den rechtgesinnten Geist jenseits der Gesetze der Welt und des Körpers widerspiegelt. Letztere dienen nur dazu, uns von den widergespiegelten Gedanken der Wahrheit getrennt zu halten, die Zeit und Raum vollständig transzendieren.

In Lektion 188 heißt es weiter:

Der Frieden Gottes leuchtet jetzt in dir und dehnt sich aus von deinem Herzen um die ganze Welt. Er hält inne, jedes Lebewesen zu liebkosen, und hinterlässt ihm einen Segen, der auf immer und auf ewig bleibt. Was er gibt, muss ewig sein. Er tilgt alle Gedanken des Vergänglichen und Wertlosen. Er bringt Erneuerung zu allen müden Herzen und erhellt im Vorbeigehen jede Schau. Alle seine Gaben sind jedermann gegeben, und jedermann vereinigt sich, um dir zu danken, der du gibst, und dir, der du empfangen hast (Ü-I.188.3:1-6).

Das ist wunderbar und sehr klar formuliert. Die Botschaft ist im ganzen Kurs dieselbe. Wenn wir den Frieden Gottes wirklich annehmen, wird er in uns leuchten und sich von unserem Herzen in die ganze Welt ausdehnen. Das bedeutet nicht, dass Sie plötzlich einen Lichtkreis am Himmel sehen werden, der die ganze Erde umschließt. Gemeint ist die Welt des Geistes. Dieser Frieden liebkost alles, was lebt, und seine Gaben werden jedem geschenkt. Daran erkennen Sie, dass es sich um den Frieden Gottes handelt. Daran erkennen Sie, dass es Liebe ist. Und vor allem erkennen Sie daran, dass nicht Sie die Quelle sind, denn jeder und alles ist einbezogen und wird nicht länger als getrennt von Ihnen wahrgenommen.

Denken Sie daran – es geht darum, das Ich oder das Persönliche zu transzendieren. Das kann man nicht willentlich herbeiführen. Es wird von selbst geschehen, wenn die Schranken aufgehoben sind. Was Sie auf Ihrem Weg beschleunigt, ist, dass Sie Jesus oder den Heiligen Geist die ganze Zeit über, tagein und tagaus, um Hilfe dabei bitten, jeden als Teil derselben Sohnschaft zu betrachten. Jesus sagt am Ende des 15. Kapitels in einem Neujahrsgebet: »Mach dieses Jahr dadurch zu einem andern, dass du es ganz zum selben machst« (T-15.XI.10:11). Mach dieses Jahr anders als all die anderen, indem du alles, was du wahrnimmst, zum selben machst. Das ist möglich, weil alles dasselbe ist. Es gibt die Wahrheit, und es gibt alles Übrige. Aber alles »Übrige« ist nichts, eins wie das andere. Jede Illusion ist dieselbe: ein kleiner Anflug von Verdruss und eine heftige Wut sind dasselbe (Ü-I.21.2:5; H-17.4:3-8). Nichts bleibt nichts, ganz gleich in welcher Form.

Die Schönheit dieser Lektion besteht darin, dass sie uns, wie auch zahlreiche andere Stellen im Kurs, einen kleinen Blick davon erhaschen lässt, was die Wahrheit wirklich ist: ein Licht, dass alle Menschen als eins umschließt, weil die Trennung eine Illusion ist. Was wir »sehen«, sind nur die fragmentierten Projektionen von Gottes einem (jetzt getrennten) Sohn. Indem wir zunächst und vor allem erkennen, dass es keine getrennten Interessen gibt, lernen wir, dass die Trennung niemals stattgefunden hat. Ich kann das gar nicht oft genug betonen. Das ist der Schlüssel zum Kurs (siehe z.B. H-1.1). Das Wesentliche in unseren Beziehungen – und in unserem ganzen Leben – ist, dass wir lernen, selbstlos zu sein, nicht in einer aufopfernden Weise, nicht in dem Sinne, etwas aufzugeben, sondern selbstlos in dem Wunsch, dass unser individuelles, einzigartiges, besonderes Selbst, das wir alle so gehätschelt haben, ersetzt werde. Sie können nur ohne Opfergefühle lernen, denn wenn Opfergefühle beteiligt sind, sind Sie auf dem falschen spirituellen Weg und werden nicht lernen.

Wie ich bereits gesagt habe, stellt sich das Ego dem Studium und dem Praktizieren des Kurses in den Weg. Sie können den Kurs niemals durch Ihr Selbst verstehen, denn dieses repräsentiert die Falschgesinntheit Ihres Ego. Sie können ihn nur verstehen, wenn Ihr Selbst – zumindest für einen Augenblick – dahinschwindet. Dann merken Sie beim Lesen des Kurses, dass Sie mit sich selbst, dem rechtgesinnten Selbst im Innern, sprechen. Aber Sie sprechen nicht in Worten. Um die zentrale Aussage zu wiederholen: Die Worte auf der Seite sind einfach eine formgewordene Widerspiegelung der eigentlichen Lektion, die Sie in Ihrem Geist lernen, dass es im Himmel kein individuelles Selbst gibt. Die Worte hier, die eine perfekte Spiegelung dieses Gedankens in unserem gespaltenen Geist sind, besagen, dass Sie kein Eigeninteresse haben. Alle Interessen sind miteinander geteilt, jeder Zweck ist miteinander geteilt, weil wir eins sind. Hinter falschgesinnten Interessen verbirgt sich immer dasselbe: die Aufrechterhaltung der Trennung. Auch hinter rechtgesinnten Interessen verbirgt sich dasselbe: die Aufhebung der Trennung. Wir wissen endlich, dass der Frieden Gottes in uns leuchtet, wenn wir nach außen schauen können, ohne Partei zu ergreifen, und keine Gewinner und Verlierer, Opfer und Täter, gute und schlechte Menschen mehr sehen.

Der Frieden Gottes kann nie zurückgehalten werden. Wer ihn in sich wiedererkennt, der muss ihn geben (Ü-I.188.5:1-2).

Wenn Sie diesen Frieden im Innern akzeptieren, ist da kein Ich, das ihn weitergibt. Das Ich verschwindet, und der innere Frieden fließt einfach durch Sie hindurch. Es ist das Einfachste von der Welt. Sie tun nichts. Es kostet Sie keine Anstrengung. Die Anstrengung kommt von dem Widerstand gegen die Einsicht, dass es keine Anstrengung gibt. Wenn Sie den Kurs schwierig finden, dann nicht, weil der Kurs selbst schwierig ist. Wie kann es schwierig sein, das zu akzeptieren, was wahr ist? Schwierig ist nur die Angst vor dem, was wahr ist, und das Bedürfnis, das Ich zu erhalten, dieses Subjekt, das mit einem Objekt in Beziehung tritt. Deswegen heißt es, dass der Kurs ein nichtduales Denksystem darstellt. Die Wahrheit ist nichtdual. Sie befindet sich jenseits aller Trennung und Unterschiede.

Denn das, worauf deine Innenschau blickt, ist deine Wahrnehmung des Universums (Ü-I.188.5:7).

Das Universum ist dasjenige Christi: Es ist eins. Wir schauen auf das Universum als eins, weil unsere Innenschau eins ist. Denken Sie daran: Wahrnehmung wird durch Projektion erzeugt. Darum geht es in dieser Lektion, ohne dass der Satz überhaupt je fällt.

Setze dich still hin, und schließe deine Augen. Das Licht in dir reicht aus. Es allein hat die Macht, dir die Gabe des Sehens zu geben. Schließe die Außenwelt aus, und lass deine Gedanken zum Frieden in dir eilen. Sie kennen den Weg. Denn ehrliche Gedanken, unbefleckt vom Traum irdischer Dinge außerhalb von dir, werden zu den heiligen Boten von Gott selbst (Ü-I.188.6:1-6).

Wir brauchen überhaupt nichts zu tun. Wir müssen nur ruhig sein, und wenn wir in unserer Rechtgesinntheit sind, werden unsere Gedanken von allein in Einklang damit sein. Die »ehrlichen Gedanken « sind die Berichtigung der unehrlichen Gedanken des Ego, angefangen von dem Gedanken, dass wir von Gott getrennt sein könnten. Der ehrliche Gedanke ist immer irgendeine Äußerung der Sühne, die besagt, dass wir niemals von Gott getrennt sein können. Daher sind wir nicht von Gott getrennt. Der ehrliche Gedanke lautet, dass die Sohnschaft nicht getrennt oder fragmentiert ist. Sie ist eins.

Der Prozess, über den Jesus hier spricht, besteht einfach darin, ruhig zu sein. Eine Weise, wie wir diese Ruhe erreichen, ist, auf all den Lärm und das Geplapper in unserem Inneren zu achten, den »Donner des Bedeutungslosen« (Ü-I.106.2:1). Es geht nicht darum, gegen diesen Lärm anzugehen, ihn zu bekämpfen oder niederzuschreien. Treten Sie einfach beiseite, beobachten Sie das Geplapper ruhig und sagen Sie: »Jetzt mache ich schon wieder viel Wind um nichts. Ich suche schon wieder nach Fehlern, erfinde Geschichten, will Rache nehmen und befasse mich mit allen Arten von Urteilen. Ich habe offensichtlich Angst vor der Stille. Ich habe Angst vor dem Licht.« In diesem ruhigen Licht kann unsere individuelle Existenz nicht aufrechterhalten werden. Daher decken wir das Einssein und das universelle Licht zu, indem wir uns wieder in die Fragmentierung, die Trennung, das Urteil und den Angriff flüchten.

Diese Gedanken denkst du mit ihm. Sie erkennen ihr Zuhause wieder. Und sie weisen sicher auf ihre Quelle hin, wo Gott der Vater und der Sohn eins sind (Ü-I.188.7:1-3).

Diese ehrlichen Gedanken sind die Widerspiegelungen Gottes, und während das Einssein selbst für uns hier bedeutungslos ist, hat die Widerspiegelung des Einsseins sehr wohl Bedeutung. Wir bringen das Einssein des Sohnes und das des Sohnes mit dem Vater zum Ausdruck, indem wir jeden als jemanden betrachten, der denselben Zweck und dasselbe eine Bedürfnis mit uns teilt, aus dem Traum der Trennung zu erwachen. Niemand ist davon ausgenommen. Denken wir nur einmal, wie die Welt aussehen würde, wenn es keine getrennten Interessen gäbe! Es ist beinahe unmöglich, sich das vorzustellen. Es gäbe keine Grenzen, keine Nationalstaaten, keine getrennten Sprachen, Währungen, politischen und ökonomischen Systeme oder Religionen. Jeder würde als Teil des Ganzen angesehen; und jeder würde diese Ganzheit zum Ausdruck bringen. Jede individuelle Fähigkeit würde sich in das Ganze einfügen, so wie sich im Konzertsaal die individuellen Instrumente zu einem herrlichen symphonischen Orchesterklang vereinen.

Diese Schau ist jedes Mal da, wenn ein einziger Mensch die Wahl trifft, dieser eine Sohn und dieses eine Universum zu sein, denn in diesem heiligen Augenblick verschwindet die Welt im Gewahrsein und alles, was bleibt, ist eine Widerspiegelung des Einsseins. In diesem Geisteszustand, der im Kurs als die wirkliche Welt bezeichnet wird, schauen wir auf die Welt und sehen das, was auch die anderen mit ihren Augen sehen, aber wir erkennen, dass das, was diese Augen sehen, nur der dünne Schleier der Trennung ist, der nicht die Macht hat, die Wahrheit der Innenschau zu verbergen: dass wir alle in Wirklichkeit eins sind, aber etwas anderes zu sein behaupten.

So würden Sie dann durch die Welt gehen: ohne Aufregung, Unruhe, Angst oder Schuld. Mit dieser Erfahrung des Einsseins wissen Sie, dass es hier nichts gibt, was Sie verletzen kann, denn Sie schauen über den dünnen Schleier des Hasses, der Besonderheit, der Trennung und des Nationalismus hinaus zum universellen Licht des Einsseins. Das ist Ihre Wirklichkeit, und nichts kann sie berühren.

Wir üben heute, uns dem Licht in uns zu nähern. Wir nehmen unsere umherschweifenden Gedanken und bringen sie sanft dorthin zurück, wo sie sich mit allen Gedanken decken, die wir mit Gott teilen. Wir wollen sie nicht umherschweifen lassen (Ü-I.188.9:1-3).

Das gilt nicht nur für Lektion 188. Das gilt für uns alle – tagein, tagaus. Beobachten Sie das Abschweifen Ihrer Gedanken. Im Textbuch sagt Jesus zu Helen: »Du bist viel zu nachsichtig gegenüber dem Umherschweifen von Gedanken und entschuldigst stillschweigend die Fehlschöpfungen deines Geistes « (T-2.VI.4:6). Wenn unsere Gedanken abschweifen, wohin gehen sie dann? Sie wandern aus unserem Geist hinaus in die Welt. Das sind all unsere Projektionen. Jesus sagt, wir sollten unsere abschweifenden Gedanken beobachten und sie sanft – ohne Zwang oder Druck irgendwelcher Art – dorthin zurückholen, wo sie in Einklang mit den Gedanken stehen, die wir mit Gott teilen. So bringen wir die Dunkelheit unserer Falschgesinntheit zum Licht unserer Rechtgesinntheit, die Illusionen unserer Besonderheit zur Liebe von Jesu Gegenwart. Mehr tun wir nicht. Das ist die Sanftmut, von der er spricht. Verändern Sie die Gedanken nicht. Berichtigen Sie sie nicht. Beobachten Sie sie einfach. Sie zu beobachten – uns für ChristiCHRISTI Schau statt für unsere eigene zu entscheiden – ist die Weise, sie zurückzuholen. Seien Sie sich einfach nur bewusst, wohin diese abschweifenden Gedanken Sie führen: auf die Autobahn zur Hölle. Dann fragen Sie sich immer wieder, ob es das ist, was Sie wirklich wollen. Und wenn Sie immer mehr Erfahrungen mit dem Licht und der Liebe machen, die alle Menschen umfangen und in denen alles Urteil endet, wird es immer schwieriger werden, sich von diesem Licht und dieser Liebe abzuwenden und wieder in die bewusstlose Dunkelheit des Ego zurückzugehen.

Wir lassen das Licht in unserm Geist sie anweisen, nach Hause zu kommen. Wir haben sie verraten, als wir ihnen geboten, dass sie von uns scheiden sollten. Doch jetzt rufen wir sie zurück und waschen sie von seltsamen Verlangen und ungeordneten Wünschen rein. Wir stellen die Heiligkeit ihres Erbes in ihnen wieder her (Ü-I.188.9:4-7).

Wovon Jesus hier auf sehr poetische Weise spricht, ist der Prozess, auf unsere Gedanken Acht zu geben. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in unserem Geist die ehrlichen Gedanken verraten haben: die Gedanken der Sühne und der Vergebung. Doch in Wirklichkeit haben wir keinen Verrat begangen. Wir haben ihn nur in unserer Welt der »seltsamen Verlangen und ungeordneten Wünsche« begangen, in der wir anders sein wollen als Gott uns schuf. Beobachten Sie einfach Ihren Geist und seien Sie sich dessen bewusst. Dieser Prozess wird Sie am Ende glücklich machen. Auch wenn es schmerzhaft ist, sich diese Gedanken anzuschauen, wird es gut enden, weil es der Weg nach Hause ist. Es ist der einzige Weg nach Hause.

Ich habe bereits am Anfang davon gesprochen, dass das Gefühl des Egoselbst ersetzt werden muss, wenn Sie den Kurs studieren, sonst werden Sie ihn nicht verstehen. Doch wenn Sie wirklich ruhig sind und ein tiefes Gefühl von Frieden und Liebe zulassen können, wird Ihr Ich vorübergehend aufgehoben, während die Erinnerung an Ihre Identität als reiner Geist zu dämmern beginnt. Dann kommt ganz plötzlich die Angst, dass das Ich verschwindet, und dann gehen Sie als Ablenkungsmanöver rasch zu irgendetwas zurück, das mit dem Körper zu tun hat. Es ist also nicht nur so, dass »Krankheit eine Abwehr gegen die Wahrheit [d.  h. den reinen Geist] ist« (Ü-I.136). Alles, was Sie tun und was Ihre individuelle Existenz als Körper neu bestätigt, ist eine Abwehr gegen die Wahrheit. Beobachten Sie einfach, was Sie tun, und verstehen Sie den Zweck, und dann werden Sie beginnen zu begreifen, dass Sie Ihr ganzes Leben lang so verfahren sind. Ganz gleich, ob es sich dabei um etwas scheinbar Wichtiges handelt, wie eine schwerwiegende Entscheidung im Leben, oder etwas so Triviales, wie einen Schokoladenriegel, zu essen statt ruhig zu sein. Die Form spielt keine Rolle. Sie sollten einfach nur erkennen, wie sehr Sie Ihr Ich festhalten wollen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man den Kurs nicht mit dem Gehirn verstehen kann. Er lässt sich nicht mit dem persönlichen Egoselbst verstehen, denn dieses Egoselbst ist die Verleugnung Ihres rechtgesinnten Geistes. Wenn Sie die volle Tiefe seiner profunden Lehren verstehen und den Frieden Gottes empfangen wollen, muss Ihre Investition in das Ich und seine getrennten Interessen weichen. Dann, und nur dann, werden alle Dinge im inneren Licht und Frieden leuchten. Das ist der Frieden Gottes, der wahrhaft alle Vernunft übersteigt, weil er nur in dem vereinigten Gedanken der Liebe existiert, der nicht verstanden, sondern nur erkannt werden kann.

Wie Jesus uns am Ende der Lektion 188 erinnert:

Und wir legen unseren erlösenden Segen über sie [die Welt], indem wir sagen:

Der Frieden Gottes leuchtet jetzt in mir.
Lass alle Dinge in diesem Frieden auf mich scheinen,
und lass mich sie mit dem Lichte in mir segnen.

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